Zeit: | 26. – 28. September 2023 |
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Auf den ersten Blick erscheint die Verbindung zwischen Simulation als historischem,
moralistisch geprägtem Begriff und der technischen Praxis der Computersimulation
nicht naheliegend zu sein. Jedoch lassen sich beide Verfahren strukturell durchaus zueinander in Beziehung setzen, insofern sie beide künstlich etwas herstellen und damit
behaupten, was sodann als Schein wirkt, behauptet wird und was es (greifbar) eben
nicht gibt. Simulation ist eine Vor-Täuschung, die thetisch etwas formuliert oder zeigt,
das substantiell nicht gegeben ist. Die Simulation teilt dies im Übrigen auch mit der
Fiktion. Erst wenn man über diesen Nukleus hinaus geht, werden die signifikanten
Unterschiede deutlich.
Kulturhistorisch ist neben der Simulation auch die Dissimulation relevant, genauso
wie der Nikodemismus. Die spezifischen Begriffe entfalten je nach Kontext ihre Bedeutung als Praxen des Vormachens oder Vorenthaltens. Dabei geht die Dissimulation davon aus, dass etwas Gegebenes verschleiert und überblendet werden kann. Der Unterschied zwischen beiden titelgebenden Konzepten gründet in ihrer ethischen Funktion.
Denn während die Simulation historisch eher kritisch gesehen wird, erfährt die Dissimulation (dissimulatio onesta) im Kontext des frühneuzeitlichen Hofes durchaus eine
gewisse Würdigung.
Ausgehend von dieser Tradition möchte die Tagung nach der wechselseitigen Erhellung der Konzepte fragen und Analogien und Differenzen zwischen unterschiedlichen
Praxen der Täuschung und Enttäuschung von der Frühen Neuzeit bis heute herausarbeiten und dabei insbesondere die spezifischen Techniken, die für die Effekte genutzt
wurden, in den Blick rücken, ihre Wirkungen, aber auch Perspektiven, die die jeweiligen Effekte erst ermöglichen, analysieren. Als „Konstellationen der Täuschung und
Enttäuschung“ begreifen wir solche Phänomene, die durch spezifische Techniken erreicht, durch Perspektiven erkannt und sodann besondere Wirkungen entfalten. Solche Konstellationen herauszupräparieren anhand spezifischer Fallbeispiele, ist ein erstes Ziel des interdisziplinär vergleichenden Blicks der Tagung. Darauf aufbauend sollen weiterführende Workshops folgen, die aus der wechselseitigen Bezugnahme es erlauben, ein Modell zu entwickeln, das die behaupteten strukturellen Analogien erfasst
und die Unterschiede zugleich namhaft werden lässt.